Migräne

Migräne – Ursachenforschung

Kopfschmerzen führen inzwischen die Liste der zehn häufigsten Beschwerden in der Bevölkerung an: 67% aller Deutschen leiden darunter. Die weite Verbreitung dieser Erkrankung unterstreicht die Wichtigkeit, sich mit Diagnose und komplementären Behandlungsweisen auseinander zu setzen.

Eine der häufigsten Kopfschmerz-Formen, unter der Frauen doppelt so häufig leiden wie Männer, ist die Migräne: wiederholte, anfallsweise auftretende, pulsierende Kopfschmerzen, die gewöhnlich einseitig beginnen und von Sehstörungen (Aura), Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie vegetativen Reaktionen des Magen-Darmtraktes (Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit) begleitet sei können. Die Schmerzen beginnen häufig im Nacken, breiten sich dann in die Kopf- und Schläfenregion aus und halten bis zu 72 Stunden an. Der Übergang vom Spannungs-kopfschmerz zur Migräne ist fließend.

Die Bedeutsamkeit von Erbfaktoren für die Entstehung der Erkrankung ist umstritten. Als Erklärungsmodell kann das sog. “Diathese-Stress-Modell” dienen, nach dem eine somatische Disposition mit den akuten Anfall auslösenden individuell belastenden psychischen Stressfaktoren einhergeht.(1)

Bei entsprechender Reaktionsbereitschaft kann eine Migräneattacke durch verschiedenste Triggerfaktoren ausgelöst werden: Hormonschwankungen, Änderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus, Nahrungsmittel (Käse, Rotwein, Schokolade, Alkohol, Nikotin), Wettereinflüsse, aber auch psychischer Stress jeder Art (Freude ebenso wie Angst, Ärger oder Wut). Typisch ist das Auftreten von Migräneschmerzen in der Entspannungsphase nach äußerem Stress oder morgens beim Erwachen.(2) Die psychischen Auslöser haben mehr Gewicht als die anderen, da Migränepatienten heftiger unter Stress leiden als Gesunde.(3)

Vegatatives Nervensystem – Pulsation

Beim akuten Migräneanfall steht im Gegensatz zum Spannungskopfschmerz, der größtenteils durch muskuläre Verspannungen im Kopf- und Nackenbereich ausgelöst wird, die charakteristisch veränderte zweiphasische Hirndurchblutung im Vordergrund: vor Beginn der Schmerzphase der Migräne kommt es zu einer Verengung der Hirnarterien (Vasokonstriktion), während des Anfalls erweitern sich diese jedoch um bis zu 50% (Vasodilatation), was durch pulsatorische Überdehnung und verschiedene physiologisch-biochemische Folgereaktionen den Schmerz auslöst. Die Erweiterung betrifft die inneren Hirnarterien und die Schläfenarterie, nicht jedoch die Gesichtsdurchblutung (typische Gesichtsblässe während des Anfalls). Durch Austritt von Flüssigkeit aus den Gefäßen ins Gewebe wird der Schmerz verstärkt und verlängert.(4)

Obwohl in den meisten Bereichen des Organismus die Weite der Gefäße allein durch verschiedene Anteile des Sympathikus geregelt wird – also keine parasympathische Beeinflussung vorliegt -, wird für den Bereich der Hirndurchblutung doch eine parasympathikotone Komponente angenommen.(5),(6)

Die primäre Verengung der Arterien wird durch exzessive Sympathikusaktivität ausgelöst; bei Erschöpfung dieses Mechanismus – bzw. charakteristischerweise zu Beginn einer Entspannungsphase – kann ein Umschlagen in parasympathikotone Gefäßerweiterung im Kopfbereich stattfinden, unterstützt durch nachlassende Reize von Seiten des Sympathikus.(7) Es liegt also eine biopathische Instabilität des vegetativen Systems vor, das durch Irritationen zu überschießender Sympathikuserregung mit kompensatorischer parasympathischer Gegenregulation führt.

In der Orgontherapie (Körpertherapie) unterscheiden wir zwischen dem körperlichen Symptom, dem Migräneschmerz, und der eigentlichen Ursache, der gestörten vegetativ-energtischen Pulsation. Chronischer äußerer Stress macht sich in der anfallsfreien Zeit zunächst als sympathikotone, erhöhte Basis-Muskelspannung des gesamten Organismus bemerkbar. Wenn die Spannungsbindung der Skelettmuskeln nicht mehr ausreicht, greift die Kontraktion auf das tiefere, kernnähere Blutgefäßsystem über; auch die Arterien zeigen dann eine erhöhte Grundspannung – dies entspricht der Bereitschaftshaltung i. S. einer Biopathie nach Reich.

Trifft weiterer akuter Stress auf einen bereits so hochgradig angespannten Organismus, kommt es – in unserem Fall im Kopfbereich – zu einem Erschöpfen der Spannungsbindung, der chronische Sympathikustonus schlägt ins andere Extrem um und führt dadurch zu einer überschießenden, parasympathikotonen Gefäßerweiterung, die mit Unterstützung anderer Faktoren die typischen Migränekopfschmerzen auslöst.(8) Der übrige Körper verbleibt dabei überwiegend in der sympathikotonen Kontraktion.(9)

Dieser plötzliche vegetative Umschwung bedeutet für den gestressten und überladenen Körper energetisch eine Entlastung – Spannung wird so lange gehalten und angestaut, bis sie sich als letzte Möglichkeit im Kopfbereich in dem Symptom Migräne entladen kann. Der Organismus versucht, den pulsatorischen Wechsel von Ladung und Entladung noch rudimentär aufrecht zu erhalten, dies gelingt ihm jedoch nur auf diese unerfreuliche Weise.

Einen angenehmeren Entladungsweg bietet nach Reich die lebendige Sexualität – doch der Migränepatient (bzw. die -patientin) hat aber immer Probleme mit der Lust. Der Beckenbereich ist blockiert, überschüssige Energie kann nicht im Orgasmus abgeführt werden, was sich sowohl in der Verdrängung erotischer Gefühle wie auch in deren Überkompensation, in demonstrativer sexueller Freizügigkeit, ausdrücken kann – in beiden Fällen ist eine vollständige genitale Entladung nach Reichschen Kriterien nicht möglich.

Es findet eine Trennung von Kopf und Leib statt, die Sexualität wird vom Genitalbereich in den entgegengesetzten Pol des Körpers verschoben – der Migräneanfall ist eine Art „Orgasmus im Kopf“; er entspricht energetisch einer Entladung am „falschen“ Ort und kann sogar als Ausrede vor unerwünschtem Sex dienen. Wie häufig der Kopf als Ersatz für den Unterleib funktioniert, sehen wir deutlich beim Erröten in peinlichen Situationen.(10).

Neuere klinische Untersuchungen belegen, dass sexueller Verkehr während des Migräneanfalls in der überwiegenden Zahl der Fälle die Migräneschmerzen lindern oder den Anfall sogar beenden konnte.(11) Bei der angeführten Untersuchung wurde leider nicht näher auf die Qualität der genitalen Vereinigung und die Vollständigkeit der energetischen Entladung im Orgasmus eingegangen, die nach unserem Verständnis aber von entscheidender Bedeutung sein dürften.

Psychische Komponenten

Migränekopfschmerzen treten vor allem dann auf, wenn intensive Anstrengungen unternommen werden, um ein bestimmtes geplantes Programm durchzuführen oder ein hochgestecktes Ziel zu erreichen. Nach klinischen Erhebungen gelten Migränepatienten als ehrgeizig, erfolgsorientiert, überodentlich, perfektionistisch und ausdauernd. In anderen Studien wird auch über eine Neigung zu Passivität und geringer Frustrationstoleranz berichtet; die Patienten sind leicht irritier- und kränkbar, ihre Sexualität ist gehemmt. Oft besteht eine starke Bindung an die Mutter, die als kühl und hart beschrieben wird, im Gegensatz zum weichen und nachgiebigen Vater. Von Seiten der Eltern, v.a. der Mutter, bestanden hohe Erwartungen, die den Ehrgeiz des Kindes anstachelten: die erbrachte Leistung war „nie gut genug“.

Sowohl Patienten mit Migräne als auch mit Spannungskopfschmerz haben im Vergleich zu Gesunden eine höhere Leistungsmotivation und mehr Furcht vor Misserfolg; der Umwelt soll auf jeden Fall der Eindruck vermittelt werden, dass sie trotz der (oft verheimlichten) Migräne leistungsfähig sind.(12) Der nie erfüllbare Leistungsdruck führt parallel zur Starre im Vegetativum auch zu einer Art Kontraktion im Denken: der Patient übernimmt die Erwartungen seiner Umwelt, ohne sie zu hinterfragen; er lebt in einer engen, harten Welt zwanghafter Pflichterfüllung und scheitert chronisch an dem Versuch, die Anforderungen der Bindungsperson (der Mutter) zu erfüllen: die befreiende Befriedigung bleibt stets aus.(13)

Der psychische Stress, unter dem Migränepatienten stehen und der häufigster Auslöser für einen Anfall ist, besteht vorwiegend kognitiv; er ist also nicht in der objektiven Situation, sondern den irrationalen Gedanken darüber zu suchen: man meint, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, möchte alles perfekt machen und gibt sich überproportional Mühe. Im Volksmund spricht man davon, „sich einen Kopf zu machen“, „sich den Kopf zu zerbrechen“ oder „mit dem Kopf durch die Wand zu gehen“. – Der Schmerz kann auch verdrängte Wut in Folge von Kränkungen ausdrücken; Probleme, die in den Körper gehören wie Sexualität und Aggressionen, werden „im Kopf“ gelöst bzw. mit dem Kopf kontrolliert. (14)

In meiner persönlichen Erfahrung mit Migränepatienten handelt es sich häufig um sehr empfindsame, kreative und sensible Personen, fast schon mimosenhaft, die von alltäglichen Anforderungen überfordert sein können, sich dessen aber kaum bewusst sind – sie sind „dünn häutig“ und es fehlt ihnen die Fähigkeit, sich nach außen abzugrenzen und zu schützen. Statt die Ansprüche an ihre subjektive Leistungsfähigkeit zurückzuschrauben, leisten sie dann doppelt so viel wie andere und machen „gute Miene zum bösen Spiel“. Der Migräneanfall stellt dann oft die einzige Möglichkeit dar, sich abzuschirmen und zurückzuziehen – nur mit Hilfe des Symptoms kann der Migräniker den vermeintlichen Erwartungen für kurze Zeit entgehen.

Bisher gibt es noch keine befriedigende Erklärung für die Einseitigkeit der Migräne. Bezug nehmend auf die Erkenntnisse der Hirnforschung, die in der rechten Gehirnhälfte die kreative, intuitive (in der chinesischen Terminologie: weibliche) und in der linken Hirnhälfte eher die rationale (männliche) Seite repräsentiert sieht, wäre zu erforschen, ob Schmerzen auf der jeweils betroffenen Seite mit Aggressionen gegen männliche oder weibliche Bezugspersonen korrelieren oder auf Probleme mit dem eigenen männlichen oder weiblichen Anteil hindeuten.

Orgontherapie

In der Behandlung der akuten Migräneattacke steht neben Reizabschirmung, Schlaf und Eisbeuteln in der klassischen Therapie der Einsatz von Medikamenten im Vordergrund: Acetysalicylsäure (Aspirin®), Ergotamine (ergosanol®, Migrexa®), Sumatriptan (Imigran®); im schmerzfreien Intervall werden sog. beta-Blocker eingesetzt (Beloc®, Dociton®), die einen Teil der sympathikotonen Wirkung aufheben.

Die Medikamente bleiben oft wirkungslos; zudem können sie bei längerem Gebrauch selber Schmerz auslösen. Abgesehen von Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen besteht die Gefahr der Schmerzmittelabhängigkeit.(15)

Bei der Bewältigung der Migräneattacken helfen auch Rotlicht, sanfte Massagen, Entspannungstechniken und Biofeedback. Psychotherapie ist empfehlenswert, scheitert aber bei ca. 50% der Migränepatienten daran, dass sie die Annahme einer psychischen (Mit-)Verursachung ihrer Krankheit als Kränkung empfinden. Der Umgang mit Kopfschmerzpatienten gilt in der Psychotherapie als dementsprechend schwierig.(16)

In der Orgonmedizin steht im Vordergrund, die chronische Dauerspannung auf muskulärer, vegetativer, emotionaler und auch kognitiver Ebene aufzulösen. Wir finden starke Muskelverspannungen im Schädelbereich, vor allem in den Augen, am Hinterkopf, an den Schläfen und im Beckensegment, aber auch im Nacken- und Schulterbereich sowie entlang der Wirbelsäule.

Die Augen können durch z. B. Fixieren einer Taschenlampe, die vor den Augen des Patienten hin- und herbewegt wird, mobilisiert werden, oder es kann geübt werden, den oft maskenhaften Gesichtsausdruck durch Widerspiegelung verschiedener Gefühle zu beleben. Die Muskeln am Hinterkopf und am Schädel können direkt massiert werden; das passive Halten des Kopfes kann zu Erleichterung und tiefem Loslassen im Nacken führen. In den Schultern und Rückenmuskeln sowie auch am Becken ist ebenfalls Massage möglich, aber auch aktive Bewegungsübungen z. B. in Form von Ausgreifen oder Aggressionsübungen. Die Basis-Muskelspannung kann zudem sehr gut durch sanfte Energiearbeit herabgesetzt werden: durch Lösen der Verspannungen lernt der Patient angstfrei tiefe tranceartige Entspannungszustände kennen, die ihn aus den zwanghaften Leistungsvorstellungen des Kopfes heraus und auf angenehme Weise in den Körper hinein führen.

Die in tieferen Schichten gebundenen Spannungen sind dem direkten Zugriff nicht zugänglich und werden daher durch sog. körperliche Stresspositionen mobilisiert. Möglichst viele Muskelgruppen werden gleichzeitig willkürlich angespannt, während der Patient dabei auf eine bestimmte Art tief atmet. Dadurch lädt sich der Organismus energetisch zunächst noch stärker auf. Bei Verbleiben in der Stressposition entlädt sich dann überschüssige und bisher festgehaltene Energie auch der tieferen Schichten nach einigen Minuten in unwillkürliche Muskelzuckungen und Vibrationen, die den Körper neu beleben und muskuläre wie vegetative Blockaden auflösen; dabei können auch die ursprünglich unterdrückten Gefühle wie Wut oder sexuelle Lust wieder spürbar werden. Es findet ein steter Wechsel von Ladung und Entladung des gesamten Organismus statt. Schließlich wird die Energie in einer Ruhephase sanft umverteilt; tiefe innere Prozesse kommen in Gang, die Körper, Denken und Gefühl beeinflussen.

Emotionen, die bei der Arbeit auftauchen, sind Ängste beim Lösen der Nackenverspannungen, mit deren Hilfe der „Kopf eingezogen“ wird, Feindseligkeit, z. B. gegenüber der Mutter, beim Lösen der Augenblockierung sowie der Schulter- und Rückenmuskeln, tiefe Angst vor Hingabe und sexueller Lust bei Bearbeitung des Beckensegmentes; Entstehung und Auswirkungen der sexuellen Ängste werden verbalisiert.

Der Patient lernt, mehr Vertrauen zu sich zu gewinnen, unabhängiger zu werden und seine Verhaltensweisen den subjektiven Möglichkeiten anzupassen. Durch Entlastung von überzogener Leistungsorientierung sowie mehr Aufmerksamkeit für das, was Freude macht, wird die Lebensqualität gesteigert – dazu gehört nach Möglichkeit auch ein erfülltes Sexualleben.

Zusammenfassung

Der Migräne kann durch die verschiedensten Auslöser hervorgerufen werden, ihr liegt aber immer eine chronische Anspannung des gesamten Organismus zugrunde, die sich in einer vegetativen, energetischen und kognitiven Starre ausdrückt: die Lebensenergie (Orognenergie) ist nicht mehr im Fluss, der Kopf dominiert den Körper. Mit den Methoden der Orgonmedizin wird allein durch Auflösung von Blockaden sowie Lenkung und Bahnung vorhandener Energie im Körper die gestörte Selbstregulation aktiviert und die dem Körper immanente Selbstheilung eingeleitet: die Funktion des Vegetativums und die lustvolle Pulsation der Lebensenergie werden angeregt. Dem Krankheitssymptom, das ja nur die Spitze des Eisberges darstellt, wird damit der Nährboden entzogen.

Literatur:

  • COUCH, J. et BEARSS, C.: Relief of Migraine with Sexual Intercourse, in: Headache, Volume 30, April 1990
  • DIENER, H. C. et al.: Migräne in: Der Internist, 4-2000
  • DETHLEFSEN, Th.: Krankheit als Weg, Goldmann 1983.
  • KONIA, Ch.: Somatic Biopathies Part I in: Journal of Orgonomy, Vol.23 no.2
  • KLUSSMANN, R.: Psychosomatische Medizin, Springer 1998
  • MUNZEL, Michael: persönliche Mitteilungen 06.11.2000
  • NAVARRO, F.: Die sieben Stufen der Gesundheit, Bd. 1 und 2. Nexus 1986 und 1988
  • SCHIFFTER, R.: Neurologie des vegetativen Systems. Springer 1985
  • SCHMIDT, R.F. und THEWS,G.: Physiologie des Menschen. Springer 1993
  • UEXKÜLL, Th. v.: Lehrbuch der Psychosomatischen Medizin. Urban u. Schwarzenberg, 4. Auflage 1990