Magen- und Darmgeschwüre

Vegetatives Nervensystem – Pulsation

Wir wenden uns nun einem anderen Komplex somatischer Störungen zu, der klinisch auf eine Störung der Funktionsweise des vegetativen Nervensystems zurückfuhren ist. Es handelt sich dabei um Erkrankungen des Magens und Zwölffingerdarms, insbesondere um das dort vorkommende Ulkus oder Geschwür. Auch beim Ulkus begegnen wir wieder wie bei den Rückenschmerzen dem Phänomen, dass der körperliche Befund und das subjektive Empfinden durchaus auseinanderfallen können. Vor allem bei älteren Patienten muss das Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür keine Schmerzen verursachen, typische Ulkusschmerzen können aber, wie oben geschildert, auch bei Patienten ohne Geschwür auftreten (1). Die vegetative Symptomatik gilt daher analog auch für die funktionellen Störungen des „nervösen Magens“, bei dem es sich um milde Formen oder Vorstufen des Geschwürs handelt.

Magen- und Darmgeschwüre

Beim Magen- oder Zwölffingerdarmulkus handelt es sich um einen Schleimhautdefekt, der neben Schmerzen zu Blutungen und Durchbrüchen der Magen- bzw. Darmwand führen kann oder unter Narbenbildung abheilt. Die Geschwürbildung hängt eng zusammen mit der Produktion von Magensäure sowie Störungen in der Schleimhautdurchblutung. Die Schleimhaut schützt den Magen vor dem aggressiven Magensaft. Wenn die Magenschleimhaut mangelhaft durchblutet wird, wird das so vorgeschädigte Gewebe durch die Säure angegriffen. Es entsteht ein Ungleichgewicht; der Schutz wird unzureichend und es kommt zur „Selbstverdauung“ des Magens.

In der letzten Zeit ist vermehrt von der Verursachung von Magengeschwüren durch ein Bakterium namens Helicobacter pylori die Rede. Da allerdings auch weiterhin Geschwüre ohne bakterielle Besiedlung zu finden sind, andererseits z.B. in Irland 80% der Bevölkerung Träger dieses Bakteriums sind, von denen die meisten keine Geschwüre haben, deutet dies eher auf eine multifaktorielle Genese der Erkrankung hin. Bakterien können mit beteiligt sein, sind aber sicher nicht die alleinige Ursache.

Sowohl die Produktion von Magensäure wie auch die Beweglichkeit des Magen-Darm-Traktes insgesamt werden vom Parasympathikus angeregt. Die Verminderung der Magendurchblutung wird hingegen vom Sympathikus hervorgerufen. Nach klinischen Untersuchungen scheint beim aktiven Stressulcus eher eine Überaktivierung des Sympathikus mit verminderter Durchblutung der Magenschleimhaut vorzuliegen. Beim chronischen Magengeschwür und dem Zwölffingerdarmgeschwür steht die erhöhte Säureproduktion durch erhöhten Parasympathikustonus im Vordergrund (2).

Die Geschwüre können durch Schädigung des vegetativen Nervensystems als regelrechte „Stressgeschwüre“ entstehen. In Tierversuchen an Ratten, die äußerem Stress ausgesetzt waren, ohne ihm entkommen zu können („Immobilisationsstreß“), konnten in sehr hohem Prozentsatz Magengeschwüre ausgelöst werden (3). Bei Untersuchungen an einem Patienten mit Magenfistel führten gespannte, ambivalente Situationen bei anhaltendem Ärger zu parasympathischen Effekten an der Magenschleimhaut (Zunahme von Durchblutung, Bewegung und Sekretion). Bei Angst, Furcht und Depressivität trat aber eine entgegengesetzte sympathikotone Reaktion auf (4).

Klinische Neurologen vermuten, dass sich die Ausbildung der Geschwüre nicht so sehr als entweder sympathikotones oder parasympathikotones Geschehen auffassen lässt, sondern dass Störungen in der „vegetativen Wechselschaltung“ mit Vorschädigung der Magenschleimhaut durch Minderdurchblutung einerseits und erhöhter Säureproduktion andererseits zur Ulkusbildung führen (5).

Danach läge dem Ulkus weniger ein chronisches Verharren in einem der Extremzustände des vegetativen Nervensystems zugrunde, sondern eine Desynchronisation der Aktivitäten von Sympathikus und Parasympathikus. Statt einer gesunden, koordinierten Pulsation findet ein Hin und Her „von einem Extrem ins andere“ statt.

Die Therapie der Schulmedizin besteht im Wesentlichen aus symptomatischen Maßnahmen wie Stoppen von Blutungen, Gabe von Säureblockern und Antibiotika sowie Diätempfehlungen. Eine ursächliche Therapie kann nicht stattfinden.


Psychische Komponenten

Die Psychosomatiker fanden heraus, dass der „typische“ Ulkuspatient sich nach der konfliktfreien Kindheit sehnt, dem mütterlichen Umsorgtsein, infantiler Abhängigkeit, und große Sehnsucht hat, geliebt zu werden. Ursächlich für die Tendenz zur Abhängigkeit könnten Trennungserlebnisse in der Kindheit sein, die sich biographisch auch häufig nachweisen lassen(6).

Als Kompensation für die familiäre Geborgenheit legen Ulkuskranke oft großen Wert auf Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Die Sehnsucht nach Versorgung wird häufig durch starken Ehrgeiz und Erfolgsstreben kompensiert. Zwischen dem meist unbewussten Wunsch nach Abhängigkeit und Versorgtsein und dem Streben nach Unabhängigkeit entsteht ein Widerspruch. Je nachdem, wieweit der Patient seinem Abhängigkeitsstreben nachgibt, erscheint er als „offen abhängig“ oder, wenn er dieses Verhalten überspielt, als „pseudounabhängig“.

Die Sehnsucht nach der konfliktfreien Kindheit steht in engem Zusammenhang mit der oft fehlenden Fähigkeit des Ulkuspatienten, mit Gefühlen wie Ärger und Wut angemessen umzugehen. Aggressive Tendenzen können entweder stark gehemmt sein oder sie werden – als anderes Extrem- übertrieben ausgelebt. Die Konfliktfähigkeit und die Fähigkeit zur gesunden Auseinandersetzung mit Herausforderungen ist insgesamt herabgesetzt. Außeneindrücke können oft schlecht „verdaut“ werden, statt dessen findet die innere Verdauung in Form von „Selbstzerfleischung“ statt.

Im Volksmund findet man für Magenbeschwerden auch die Ausdrücke „das schlägt mir auf den Magen“, etwas „in sich hineinfressen“ oder “ Ärger hinunterschlucken“. Die erhöhte Säureproduktion beim Ulkus hat ihr Äquivalent in dem Ausdruck „ich bin sauer“. Alle diese sprichwörtlichen Weisheiten deuten auf das Ulkus als Ausdruck unterdrückter Gefühle, v.a. Aggressionen, hin.

Das Auftreten eines Geschwürs ist vermutlich typisch für eine Situation, in der der Mensch zwischen zwei widerstrebenden Tendenzen hin- und hergerissen wird. Wenn er nicht weiß, ob er kämpfen oder fliehen, angreifen oder sich unterwerfen soll, befindet er sich in einem ähnlichen Dilemma wie die oben erwähnte gestresste, immobilisierte Ratte(7). Der Patient sehnt sich nach dem konfliktfreien Dasein, möchte nicht kämpfen, sieht sich dann aber von tiefer Hilflosigkeit angesichts äußerer Angriffe bedroht. Als Kompensation möchte er sich gegen diese Angriffe wehren.

Er „stürzt sich“ entweder „in den Kampf“ und verleugnet seine passive Seite (pseudo­unabhängiger Typ), oder er bleibt durch seine aggressive Hemmung in dem Dilemma stecken, schluckt seinen Ärger hinunter und verleugnet seine aggressive Seite (offen abhängiger Typ).

In beiden Fällen ist der Konflikt zwischen Sehnsucht nach Versorgtsein und aggressivem Herangehen an die Aufgaben des Lebens nicht grundlegend gelöst. Er besteht nicht als Möglichkeit des sowohl/als auch, sondern nur als entweder/oder. Auf der Ebene des Vegetativums findet entsprechend ein unkoordiniertes Hin und Her zwischen Sympathikustonus (im Sinne von Angriffshaltung) und Parasympathikustonus (im Sinne von Resignationshaltung) statt.


Orgontherapie

Das Magen- und Darumgeschwür geht v.a. mit einer Verhärtung der Muskeln im Zwerchfell- und Bauchbereich einher. Diese Muskelverspannungen haben einen direkten Einfluss auf die Tätigkeit des Solarplexus, des großen vegetativen Nervengeflechtes, das direkt unterhalb des Zwerchfells lokalisiert ist. Auf der muskulären Ebene stehen also Techniken im Vordergrund, die die Muskeln des Zwerchfells und des Bauches aktivieren und in einen gesunden Muskeltonus überführen.

Das Zwerchfell kann durch Zwerchfellatmung mobilisiert werden, der Zwerchfellansatz am Rippenbogen ist auch direkter Massage zugänglich. Der stärkste Einfluss ist jedoch das sanfte Auslösen des Würgreflexes ohne Unterbrechung der Ausatmung. Dies kann mit Gefühlen von Übelkeit bis zum Erbrechen verbunden sein. Das Würgen ist an sich eine Bewegung, die dem Hinunterschlucken (sowohl von Nahrung als auch von Gefühlen!) entgegengerichtet ist.

Bei einem ungepanzerten Organismus können Würgen und Erbrechen bei Bedarf mit äußerster Leichtigkeit vor sich gehen, was bei Kleinkindern („Bäuerchen“) und auch im Tierreich bei Katzen oder Delphinen beobachtet werden kann. Das quälende Würgen des „normalen“ Erwachsenen kommt erst durch die erworbenen Muskelverspannungen zustande.

Gerade das Auslösen des Würgreflexes darf nicht isoliert vorgenommen werden, da es sich um einen sehr starken vegetativen Eingriff handelt. Voraussetzung für ihn ist unbedingt, dass in der Körpertherapie zuvor alle oberhalb des Zwerchfells liegenden muskulären Verspannungen gelöst wurden, da sonst die bei Bearbeitung des Zwerchfellsegmentes freiwerdende Lebensenergie (Orgonenergie), die Richtung Kopf fließen will, durch weiter oben liegende Muskelblockaden behindert werden und diese Blockaden noch weiter verstärken würden.

Die Blockade des Bauchsegmentes, die hauptsächlich durch Verspannungen der gerade und quer verlaufenden Bauchmuskeln, einiger Rückenmuskeln und tiefliegender Muskeln im Inneren des Bauchraumes hervorgerufen wird, kann ebenfalls durch Atemtechniken und Massage gelöst werden.

Wenn Zwerchfell- und Bauchmuskeln sich lösen und das Zwerchfell bei der Ein- und Ausatmung wieder frei schwingen kann, geht dies mit Zuckungen und Erregungswellen sowohl Richtung Kopf als auch Richtung Genitalien einher und ist von Gefühlen des Nachgebens und der Hingabe begleitet. Das Einströmen von Energie in den Beckenbereich kann starke Ängste aktivieren. Deshalb sollte sich dort weitere therapeutische Arbeit anschließen.

Bei der Lösung der o.g. Blockaden wird der Patient natürlich auch wieder mit den bisher unterdrückten Gefühlen konfrontiert. Seine passive Aggression und seine orale Bedürftigkeit werden zunächst bewusster. Ängste tauchen auf, bevor der Patient lernt, sich aktiv aggressiv mit der Umwelt auseinander zu setzen.

Gerade im Zwerchfellsegment kann „mörderische Wut“ festgehalten sein, die in einer geschützten therapeutischen Atmosphäre zum Ausdruck kommen darf. Die Gefühle von Nachgeben und Hingabe, z. B. in der Sexualität, können wiederum erst zugelassen werden, wenn die tiefen Ängste vor lustvollem energetischen Strömungen im Körper bearbeitet wurden.

Am Ende der Therapie sollte der Ulkuspatient gelernt haben, an Stelle oraler regressiver Abhängigkeit sowohl „für sich selbst sorgen“ zu können als auch Aggressionen auf angemessene Weise zum Ausdruck zu bringen.