Migräne Fall 1

Frau W., Anfang 30, war 2003 ein Jahr bei mir in orgonmedizinischer Behandlung. Sie hatte seit dem Alter von 12 Jahren regelmäßig Migräne, bei Therapiebeginn trat diese einmal pro Woche für 2-3 Tage auf und wurde von ihr dann medikamentös (z. B. mit Ibuprofen) behandelt.

Frau W. ist wie die meisten Migränepatientinnen eine schlanke, zarte Person, die sensibel und mädchenhaft wirkt, dabei aber ausdauernd und leistungsfähig ist. Sie möchte alles gerne so machen, dass es „den Anderen“ gefällt und möglichst perfekt ist – ein hoher Anspruch, unter dem sie selber leidet. Sie geht kräftemäßig häufig über ihre Grenzen ohne es zu merken – erst die Migräne verhilft ihr zu einer Art Ruhepause.

Bei der körperlichen Untersuchung finde ich muskuläre Verspannungen vor allem im Bereich der Kopfhaut, des Kinns, der Schultern und des Rückens. Besondere Schmerzpunkte finden sich typischerweise an der Schläfe und am Hinterkopf.

Ich behandle Frau W. zunächst nur mit sanfter Energiearbeit – Druck- und Triggerpunke lösen muskuläre Verspannung. Schon nach wenigen Stunden verspürt Frau W. mehr Kraft, ihr morgendliches Tief ist verschwunden. Nach vier bis fünf Stunden ist der Rhythmus der wöchentlichen Migräne durchbrochen, längere schmerzfreie Intervalle stellen sich ein. Als ich sie im Oktober nach der achten Behandlung wieder sehe, ist sie seit zwei Monaten migränefrei.

Frau W. wird sich immer deutlicher des Zusammenhangs ihrer Gefühle und der Migräneanfälle bewusst: wenn größere Anforderungen auf sie zukommen, fühlt sie sich, als ob sie eine Lawine überrollt – sie „blickt dann nicht mehr durch“ und verliert den Überblick, was sich in einem dumpf-nebligen Gefühl in Kopf und Augen äußert. Diese innere Anspannung löst Angst vor Versagen aus und entlädt sich dann oft im Kopfschmerz; Stress und Leistungsdruck sind also bei Frau W. die hauptsächlichen Migräneauslöser. Parallel zu der körperlichen Behandlung sprechen wir in der Therapie über ihre Ängste, ihre „Sorge-Sucht“, den Wunsch nach Kontrolle und die Schwierigkeit, anderen gegenüber Grenzen zu ziehen. Die Gespräche entlasten sie und helfen ihr in einer Beziehungskrise mit ihrem Ehemann.

Knapp ein Jahr nach Behandlungsbeginn kommt eine neue Schicht von Gefühlen zum Vorschein – Frau W. merkt, dass sie bei einer Auseinandersetzung auf der Arbeitsstelle „sachlich“ argumentiert, obwohl sie sich eigentlich sehr ärgert. Sie beißt „die Zähne zusammen“, die muskuläre Spannung im Kinnbereich nimmt zu – und ein Migräneanfall ist die Folge. Gefühle von Ärger und Wut kann sie nun erstmals deutlich wahrnehmen. Nachdem sie sich in der Therapiestunde einmal traut, richtig „Dampf abzulassen“, fühlt sie sich erleichtert und vital. Zuhause schmeißt sie zum Erstaunen ihres Mannes auch mal die Türen – doch er kann mit ihrer zunehmenden Emotionalität besser umgehen als mit ihren Kopfschmerzen, und ihre Beziehung verbessert sich. Auf der Arbeitsstelle sucht sie klärende Gespräche statt den Mund zu halten. Entspannung, für sich sorgen, Grenzen ziehen, Nein sagen sind Lebensthemen, die in weiteren Therapiestunden vertieft werden.

Gegen Therapieende lernt Frau W., wie sie Energie in ihrem Körper selber lenken kann. Wenn sie Vorzeichen von Migräne spürt, konzentriert sie sich auf ihre Füße und stellt sich vor, die Energie vom Kopf weg und zum Boden hin zu leiten. Sie bekommt dann wieder „Boden unter den Füßen“ und kann die Migräne oft abfangen.

Nach 26 Behandlungen tritt die Migräne nur noch im Zusammenhang mit der Periode auf.